Anschlussfähigkeit von Kommunikation

Anschlussfähigkeit von Kommunikation: Ein Schlüssel zur Optimierung von Gruppendynamik


Warum ist Anschlussfähigkeit wichtig?

In jeder Gruppendiskussion – sei es in einem Meeting, einem Seminar oder einem kreativen Workshop – gibt es Beiträge, die den Diskurs fördern, und solche, die ihn behindern. Doch was macht einen Beitrag „gut“ oder „anschlussfähig“?
Das Konzept der Anschlussfähigkeit erlaubt eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf diese Frage. Das Konzept beschreibt, wie ein Beitrag nicht nur sinnvoll auf vorherige Aussagen eingeht, sondern auch die Grundlage für zukünftige Interaktionen legt.

Dieses Prinzip ist nicht nur in menschlicher Kommunikation zentral, sondern bildet auch die Grundlage für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) als Kollege, die Gruppendiskussionen analysieren und aktiv an diesen teilnehmen und optimieren kann. Dieser Artikel erläutert die Grundlagen, Bewertungsmethoden und Potenziale des Konzepts der Anschlussfähigkeit.


Die Wissenschaft hinter der Anschlussfähigkeit

Die Anschlussfähigkeit von Kommunikation wurde maßgeblich durch die Arbeiten von Niklas Luhmann geprägt. In seiner Systemtheorie beschreibt Luhmann (1984) Kommunikation als die zentrale Grundlage sozialer Systeme. Ohne Anschlussfähigkeit – die Fähigkeit, bestehende Beiträge aufzugreifen und weiterzuführen – würde Kommunikation abbrechen.

Ergänzende wissenschaftliche Ansätze:

  • Relevanztheorie (Sperber & Wilson, 1986): Ein Beitrag ist relevant, wenn er die Diskussion bereichert oder bestehende Fragen klärt.
  • Konversationsanalyse (Sacks, Schegloff & Jefferson, 1974): Bezugnahme und Turn-Taking sind essenzielle Elemente erfolgreicher Gespräche.
  • Pragmatische Kommunikationstheorie (Austin, 1962): Sprache wird genutzt, um Handlungen auszuführen, z. B. Vorschläge zu machen oder Entscheidungen zu treffen.

Fünf Kriterien für anschlussfähige Kommunikation

Ein Beitrag wird anhand von fünf zentralen Kriterien bewertet, die die Qualität der Kommunikation messbar machen:

1. Relevanz

  • Frage: Passt der Beitrag thematisch zur Diskussion?
  • Beispiel: Ein Beitrag, der konkrete Vorschläge für ein Sommerfest macht, ist relevant. Eine Anekdote über ein Urlaubserlebnis ist es nicht.

2. Bezugnahme

  • Frage: Geht der Beitrag auf vorherige Aussagen ein?
  • Beispiel: „Ich stimme Birte zu, dass wir lokale Künstler einbinden sollten“ zeigt Bezugnahme. Ein neuer Vorschlag ohne Verweis auf frühere Ideen nicht.

3. Weiterentwicklung

  • Frage: Vertieft der Beitrag das Thema oder bringt er neue Perspektiven ein?
  • Beispiel: „Wir könnten den Kunstmarkt um einen Kinderbereich erweitern“ entwickelt die Diskussion weiter.

4. Handlungsorientierung

  • Frage: Enthält der Beitrag konkrete Vorschläge oder Maßnahmen?
  • Beispiel: „Ich übernehme die Koordination der Food Trucks“ ist handlungsorientiert. Ein allgemeiner Kommentar wie „Wir sollten etwas planen“ nicht.

5. Diskursförderung

  • Frage: Fördert der Beitrag die Gruppendynamik?
  • Beispiel: „Was denkt ihr dazu?“ oder „Paul, kannst du das übernehmen?“ fördert die Diskussion aktiv.

Wie wird Anschlussfähigkeit bewertet?

  • Forschungsprojekt Gewichtung! - hier Ausgangspunkt zum Lernen für die KI mit Response.
  • Erklärbares Maschinelles lernen
  • Die fünf Kriterien werden auf einer Skala von 0 (sehr schwach) bis 1 (sehr stark) bewertet. Die Anschlussfähigkeit eines Beitrags ergibt sich als Durchschnitt aller Kriterien:

Anschlussfähigkeit Beitrag=Relevanz+Bezugnahme+Weiterentwicklung+Handlungsorientierung+Diskursförderung5\text{Anschlussfähigkeit Beitrag} = \frac{\text{Relevanz} + \text{Bezugnahme} + \text{Weiterentwicklung} + \text{Handlungsorientierung} + \text{Diskursförderung}}{5}

Für die gesamte Diskussion:

Qualität Kommunikation Gruppe=∑(Anschlussfähigkeit Beitrag)Anzahl der Beiträge\text{Qualität Kommunikation Gruppe} = \frac{\sum (\text{Anschlussfähigkeit Beitrag})}{\text{Anzahl der Beiträge}}


Praktische Beispiele

Maximale Anschlussfähigkeit

„Ich stimme Paul zu, dass ein Sommerfest sinnvoll ist (Relevanz, Bezugnahme). Wir könnten einen Kunstmarkt hinzufügen, um Künstler einzubinden (Weiterentwicklung). Ich übernehme die Koordination dafür (Handlungsorientierung). Birte, kannst du die Künstlerliste vorbereiten? (Diskursförderung).“

Ergebnis: Anschlussfähigkeit = 1.0

Minimale Anschlussfähigkeit

„Ich habe gestern eine tolle Serie gesehen, die ihr unbedingt anschauen solltet.“

Ergebnis: Anschlussfähigkeit = 0.0


Warum ist das für KI interessant?

Künstliche Intelligenz kann durch die Analyse von Anschlussfähigkeit Gruppendiskussionen unterstützen, indem sie:

  1. Qualität erkennt: KI kann bewerten, welche Beiträge die Diskussion fördern oder behindern.
  2. Auffälligkeiten identifiziert: Personen, die häufig irrelevante oder destruktive Beiträge liefern, können erkannt werden.
  3. Konstruktive Kommunikation fördert: KI kann Vorschläge machen, um Diskussionen zielführender zu gestalten.

Beispielsweise könnte eine KI sagen:

„Dieser Beitrag ist nicht relevant für die aktuelle Diskussion. Möchten Sie den Fokus zurück zum ursprünglichen Thema lenken?“


Fazit: Die Zukunft der Anschlussfähigkeit

Die Analyse von Anschlussfähigkeit bietet enorme Potenziale für Hochschulen, Organisationen und die Entwicklung von KI-Systemen:

  • Effizientere Diskussionen: Zielgerichtete Kommunikation spart Zeit und Ressourcen.
  • Bessere Gruppendynamik: Auffälligkeiten werden identifiziert und die Diskussion wird konstruktiver gestaltet.
  • Innovative Forschung: Dieses Modell kann weiterentwickelt werden, um kulturelle Unterschiede oder spezifische Diskurskontexte zu berücksichtigen.

Die Anschlussfähigkeit ist nicht nur ein Werkzeug zur Analyse menschlicher Kommunikation, sondern ein zentraler Baustein für die Entwicklung von KI, die mit Menschen effektiv interagieren kann. Die Frage bleibt: Wie können wir Anschlussfähigkeit noch besser fördern – bei Menschen und Maschinen gleichermaßen?


Quellen:

  • Austin, J. L. (1962). How to Do Things with Words. Oxford University Press.
  • Goffman, E. (1983). The Interaction Order. American Sociological Review.
  • Luhmann, N. (1984). Soziale Systeme. Suhrkamp Verlag.
  • Sacks, H., Schegloff, E. A., & Jefferson, G. (1974). A Simplest Systematics for the Organization of Turn-Taking in Conversation. Language.
  • Sperber, D., & Wilson, D. (1986). Relevance: Communication and Cognition. Harvard University Press.
  • Piaget, J. (1950). The Psychology of Intelligence. Routledge.